Kinästhetische Illusionen

Schmerz

Es gibt noch einen anderen Bereich, in dem propriozeptive Wahrnehmungen - und deren Irreführungen - von großer Bedeutung sind. Unsere Wahrnehmung wird in sehr hohem Maß nicht nur von unserer Umwelt bestimmt, sondern von unseren Erfahrungen, Erinnerungen und Annahmen. Das trifft nicht nur auf unsere Augen zu, sondern auf alle Bereiche unseres Empfindens - insbesondere auf das Thema Schmerz. 

Bekannt sind der Plazeboeffekt, die "wandernden Blinddarmschmerzen" oder unsere Taktiken, Juckreiz oder leichtere Schmerzen durch kratzen oder reiben zu verdecken oder zu verlagern.

Wir wissen inzwischen aus vielen Forschungsstudien, dass MRTs bei gesunden, schmerzfreien Sportlern erhebliche "Körperschäden" - bis hin zum nicht erkannten Ermüdungsbruch - aufweisen können. Andererseits ist die Frage nach "Zufriedenheit am Arbeitsplatz" in Hinsicht auf Rückenschmerzen häufig aussagekräftiger als ein MRT.

Seit frühester Kindheit haben wir oft die Erfahrung gemacht haben, dass Schmerz entweder mit Krankheit (Halsschmerzen) oder mit Verletzungen einhergehen: Ich schneide mir mit dem Messer in den Finger, sehe das Blut und empfinde Schmerz. In unserer Vorstellung wird dadurch "Schmerz" mit "Schaden" gleichgesetzt.

Erwartungshaltung, Konditionierung und Kommunikation

Diese Erwartungshaltung prägt die Erfahrungen unserer Klienten in hohem Maß, und kann einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg unserer Arbeit haben. Das reine Wissen darüber reicht nicht aus - Phantomschmerzen werden empfunden in Körperteilen, deren "Besitzer" weiß, dass sie nicht existieren (und es gibt eine physiologische Grundlage dafür).

Diesen Zusammenhang von Schmerz und Schaden wieder zu trennen halte ich bei Schmerzpatienten für einen wichtigen Teil meiner Arbeit - die Vorstellung von "Schaden" erzeugt oft eine unnötig negative, unausweichliche Erwartungshaltung.

Ich bin am Anfang meiner Berufstätigkeit oft erschrocken, wenn Klienten Schmerzen hatten. Inzwischen bin ich meist in der Lage, derartige Situationen positiv zu nutzen, indem ich den Klienten unmittelbar aufzeige, dass der Schmerz nicht zwangsläufig auftritt, sondern auch in Zusammenhang mit ihren Bewegungsmustern steht - dass sie ihn also selbst bewusst beeinflussen können. (Diese Einsicht halte ich für wertvoller als "kein Schmerz während einer Stunde FI"). Wichtig ist dabei für mich, den Prozess sowohl verbal als auch nonverbal zu begleiten.

Auszug aus einem meiner Blogbeiträge:

Unglücklicherweise kann Schmerz erlernt werden und selbst Schmerzen erzeugen. Erinnern Sie sich an Pavlovs Hund? Der russische Forscher Ivan Pavlov läutete eine Glocke, wenn er den Hund fütterte, durch den Geruch des Futters wurde der Speichelfluss des Hundes angeregt. Einige Zeit später begann der Speichel bereits beim Klang der Glocke zu fließen, auch wenn der Hund nicht gefüttert wurde. Der Hund war konditioniert.

Dieses Phänomen kann auch im Zusammenhang mit Schmerzen auftreten. Je öfter Nervenzellen zusammen gereizt werden, desto schneller reagieren sie gemeinsam. Das hilft uns bei Lernen – gleichgültig, ob es sich um Klavierspielen handelt – oder das Empfinden von Schmerz.

Nervensysteme verhalten sich dabei ähnlich wie fließendes Wasser, Pfade im Schnee oder Wanderwege: je öfter ein Weg beschritten wird, desto deutlicher wird die Spur ausgetreten – und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der nächste Fußgänger den bereits vorhandenen Weg einschlägt und weiter vertieft. Je intensiver und lang anhaltender der Schmerz ist und desto unausweichlicher die Situation scheint, desto größer ist die Gefahr einer Konditionierung: Der Schmerz löst sich von der Ursache.

Wenn Sie beispielsweise an Ihrem Arbeitsplatz belastenden Situationen ausgesetzt sind – stundenlangem Sitzen, Heben, psychischem Stress wie Mobbing – können Sie die daraus entstehenden Schmerzen mit ihrem Arbeitsplatz gleichsetzen (wie Pavlovs Hund „Glocke“ und „Futter“). Schmerzen können dann unglücklicherweise selbst dann auftreten, wenn der schmerzauslösende Faktor – wie Arbeitsüberlastung, Angst vor Entlassung oder der mobbende Kollege – verschwunden sind. Es genügt im ungünstigsten Fall, Ihren Arbeitsplatz zu sehen oder nur daran zu denken. (Diese Phänomene treten nicht nur im Bereich der Arbeitswelt auf, auch Hausfrauen oder Rentner, die sich in ihrer Arbeit nicht anerkannt fühlen, sind betroffen).

Kein Wunder, dass „Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz“ ein wichtiger Indikator für Schmerzen ist. In den acht Jahren, in denen ich persönlich unter chronischen Schmerzen litt, wurde ich kein einziges Mal danach gefragt.

Der ganze Beitrag:

http://www.feldenkrais-pankow.de/was-sie-ueber-schmerzen-wissen-sollten/

http://www.feldenkrais-pankow.de/vorsicht-bei-der-wahl-ihrer-wuensche/

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