Vortrag: Richtig Sitzen

Ergebnisse der Bildersuche bei Google. Stichwort: „richtig sitzen“. Die schlechte Nachricht: jede dieser Haltungen ist, sofern sie dauerhaft eingenommen wird, wahrscheinlich schädlich für Sie. 

Aus mechanisch oder statischer Sicht gesehen macht diese Haltung auf den ersten Blick Sinn. Durch die horizontale Ausrichtung der Wirbelkörper werden einzelne Bereiche nicht übermäßig beansprucht, Gelenkoberflächen werden gleichmäßig belastet, Nerven werden nicht eingeengt oder „gequetscht“.

Diese Sicht lässt allerdings einige wichtige Tatsachen außer Acht: wir sind biologische Systeme.

Fünf „schlechte Haltungen“ sind besser als eine „richtige Haltung

  • Bandscheiben sind zu ihrer Versorgung zwingend auf Bewegung angewiesen – sie haben keine eigenen Blutgefäße, sondern saugen sich erst unter Bewegung voll, quasi wie ein Schwamm.
  • das Nervensystem, wird durch mangelnde Bewegung – darunter fällt auch das Einnehmen einer statischen Haltung – unter immensen Stress gesetzt.
  • Der Zu – vor allem aber Abfluss von Blut und Lymphe wird durch die ständige Dauerbelastung auf den gleichen Körperpartien erschwert
  • der Bewegungsumfang der Hüftgelenke wird begrenzt 
  • Bewegungsmangel im Rumpf schränkt die Atmung ein 
  • Der Beckenboden erschlafft 
  • Die Darmperistaltik wird nicht unterstützt
  • unsere Nackenmuskulatur verliert ihre wichtigste Funktion: die bewegliche Orientierung in der Umwelt.

Sitz gerade!

Rückenschmerzen haben sich seit den 70er Jahren zu einer Volkskrankheit entwickelt, Programme zur Gesundheit am Arbeitsplatz und Entwicklung und Verkauf von immer hochwertigeren Büromöbel inzwischen ein Milliardengeschäft -trotzdem stagnieren die Fehlzeiten dem laut dem Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) zufolge auf einem „sehr hohen Niveau“.

Statistisch gesehen war im vergangenen Jahr jede zwölfte Erwerbsperson – der Begriff umfasst Erwerbstätige und Empfänger von Arbeitslosengeld – wegen Rückenproblemen arbeitsunfähig. Als häufiger Grund wird Bewegungsmangel genannt. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Fitnesscenter und Rückenschulen zu.

Sehen wir uns einmal die Bewegungsabläufe der Bevölkerungsgruppe an, die in Deutschland weitgehend (noch) nicht unter Rückenschmerzen leidet.

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Diese Kinder zeichnen sich durch vielfältige, abwechslungsreiche und phantasievolle Bewegungen aus. Unter Umständen ist nicht Bewegungsmangel unser Problem – sondern Bewegungsarmut. 

Der vielleicht wichtigste Denkfehler liegt im Versuch, gesundes Sitzen auf einem Stuhl zu präsentieren.

Hocken

Falls es überhaupt eine anatomische richtige Art geben sollte, zu sitzen – diese Version käme in Betracht.

Die weitaus meisten Kinder können mühelos hocken. Diese Fähigkeit geht in der Regel mit der Einschulung – und dem damit verbundenen Sitzen – verloren.

Falls Sie es noch können: Erhalten Sie sich diese Fähigkeit! Für ihre Gesundheit ist es unter Umständen besser, regelmäßig eine halbe Stunde zu hocken als Sport zu treiben.

Zum Ausprobieren

Für alle anderen ist hier eine einfache Alternative, das Sitzen (und sei es nur zu Hause oder allein am Frühstückstisch) abwechslungsreicher zu gestalten.

Sie benötigen einen soliden Holzstuhl, mit oder ohne Armlehnen, ein hochwertiges dickes Sitzkissen und eine Rolle aus stabilem Material. (Ich habe hier einen abgesägten Zaunpfosten aus dem Baumarkt genommen, gegen Holzsplitter mit einer alten Seidenstrumpfhose überzogen. Zum Ausprobieren reicht auch ein Nudelholz)

Wenn ihre Fersen den Boden im Hocken nicht berühren können, unterstützen Sie sie mit der Holzrolle. Noch leichter wird es , wenn Sie das Sitzkissen etwas nach hinten ziehen und ihre Zehen über den Rand auf die Sitzfläche des Stuhls hängen lassen.

Es muss nicht immer Hocken sein – ziehen sie ein Bein hoch, kommen Sie in einen halben Schneidersitz, experimentieren Sie. Die drei Stufen erlauben Ihnen wesentlich vielfältigere Bewegungen als eine gerade Sitzfläche.

(Achtung: diese Haltung ist auf lange Sicht sehr gut für gesunde Knie – kurzfristig oder bei bereits vorhandenen Schwierigkeiten kann es zu Überlastungen kommen. Bleiben Sie nicht zu lang in einer Position, stehen Sie vorsichtig auf, und machen Sie im Zweifelsfall eine Pause).

Eines der wichtigsten Probleme am Arbeitsplatz lässt sich allerdings dadurch nicht lösen: nicht nur unsere Körper leiden unter Bewegungsarmut, sondern auch unsere Augen – die wiederum unseren Muskeltonus und die Muskulatur des Nackens beeinflussen.

Sehen Sie auf eine klar definierte relativ kleine Fläche in kurzer Entfernung vor ihnen, während Sie diesen Artikel lesen? Werden Sie diese Blickrichtung heute noch mehrere Stunden beibehalten?

Ich gehe jetzt spazieren.



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